Samstag, 18. Mai 2013

Exportkontrollen für Überwachungstechnologie im Bundestag

Exportkontrollen für Überwachungstechnologie im Bundestag:
Screenshot von frieden2punkt0.de
Screenshot von frieden2punkt0.de
Auch um Exportkontrollen für Überwachungs- und Zensurtechnologie ging es – pro forma – am Donnerstag im Bundestag. Faktisch wurde der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen (PDF) zum Thema einen Tag vorher fertig und die “Reden” je eines Abgeordneten pro Fraktion zwar für’s Protokoll geschrieben, aber nie gehalten.
Das Ergebnis der Debatte ist vorläufig die Überweisung des Antrags in die zuständigen Ausschüsse, mit der Annahme durch die Regierungskoalition in der 2. und 3. Lesung im Parlament ist nicht zu rechnen.
Im Antrag der Grünen wird u.a.
  • das Verbot des Exports von Überwachungstechnologie und -software in autoritäre Regime,
  • ihre Erfassung als “digitale Rüstungsgüter” und eine Regulierung, die der von Waffen entspricht,
  • die Einstellung öffentlicher Förderung für die Entwicklung und stattdessen die
  • Entwicklung und Verbreitung von Umgehungssoftware
gefordert.
Wohl in der realistischen Einschätzung, dass die Debatte allein nicht viel Wirkung entfaltet, gibt es die begleitende Website Frieden 2.0, die über die Bedeutung von Überwachungstechnologie informiert und dazu aufruft, Protest-Mails an CDU, CSU und FDP zu schicken. Leider hält die Website nicht, was sie auf den ersten Blick verspricht: es ist keine interaktive Visualisierung deutscher Exporte, aufgeschlüsselt nach Firmen. Sie informiert aber im Text über die deutsche Produktion und den Einsatz im Nahen Osten.
Im Blogpost bei Grün Digital werden auch frührere Aktivitäten zum Thema beschrieben. Der Einsatz von beispielsweise Trojanern wie FinFisher in nicht-autoritäre Staaten wird hier nicht kritisiert, genauso wenig wird definiert, aufgrund welcher Definition Staaten als autoritäre Regime klassifiziert werden. Dessen ungeachtet ist es ein guter und wichtiger Schritt, den Export deutscher Überwachungstechnologie auch im Parlament zu thematisieren.
In seiner zu Protokoll gegebenen Rede thematisierte Konstantin von Notz (Grüne) auch den Einsatz von Trojanern in Deutschland:
Wir fordern nicht nur den Einsatz entsprechender Programme in Deutschland solange auszusetzen, bis einwandfrei nachgewiesen werden konnte, dass verfassungsrechtliche Vorgaben auch eingehalten werden können. Zudem fordern wir die schwarz-gelbe Bundesregierung seit  mehreren Jahren auf, dafür zu sorgen, dass deutsche Technik nicht länger einen entscheidenden Beitrag zu massiven Menschenrechtsverletzungen weltweit leistet. Wir haben sie, meine Damen und Herren von CDU/CSU und FDP, immer und immer wieder aufgefordert, nicht länger die Augen vor diesen höchst fragwürdigen Geschäften zu verschließen, sondern sich stattdessen für eine Effektivierung der Exportbestimmungen einzusetzen. Geschehen ist nichts.
Er verweist auch darauf, dass sich das Auswärtige Amt und das Wirtscahftsministerium (beide FDP) beim Thema Exportkontrollen völlig widersprüchlich äußern.
So, meine Damen und Herren, sieht also die „verantwortungsbewusste Exportkontrolle” aus, von der Sie bis heute schwadronieren. Sie suggerieren, sich für die Freiheit des Netzes einzusetzen, und in Wirklichkeit ermöglichen Sie  – zumindest indirekt – Verfolgung und Folter made in Germany.
Für die LINKE begrüßte Andrej Hunko grundsätzlich den Antrag, forderte aber, dass die Liste der Dual-Use-Güter noch deutlich erweitert werden soll:
Die Liste jener Dual-Use Güter, für deren Export es einer Genehmigung benötigt, müsste deutlich erweitert werden. Hierzu gehören Anwendungen zur Versendung einer „Stillen SMS“ oder die sogenannten IMSI-Catcher und WLAN-Catcher, um Mobiltelefone zu lokalisieren und die Kommunikation der Besitzerinnen und Besitzer abzuhören. Auch die sogenannte Funkzellenauswertung gehört immer mehr zum Standard. Die beschriebenen Kommunikationsvorgänge laufen in „Monitoring Centres“ zusammen, wie sie etwa Siemens Nokia und nun die Firma Trovicor in arabische Länder exportiert.
Angesichts der Vorverlagerung von Strafverfolgung zähle ich auch die zunehmende Nutzung von Data Mining-Software zu jenen Technologien, die – etwa im Namen eines „Kampfes  gegen Terrorismus“ gegen missliebige Aktivitäten eingesetzt werden.
Er kritisierte außerdem, dass deutsche Sicherheitsbehörden
.. zahlreiche ausländische Behörden in der Anwendung der Spionagewerkzeuge beraten: So geschehen etwa in Belarus oder in Kirgistan. Zur Verkaufsförderung von Trojaner-Software hatte das Bundeskriminalamt mit den deutschen Herstellern ein informelles Netzwerk eingerichtet, das in mehreren Ländern regelrechte Tupper-Parties zum „Informationsaustausch“ organisierte. In Ländern des Arabischen Frühlings führt das Bundeskriminalamt Schulungen zur „Open Source Internetauswertung“ durch – entsprechende Lehrgänge fanden sogar noch unter den damaligen Machthabern statt.
Für die CDU “redete” Erich Fritz (PDF), der aufgrund der ihm zustehenden längeren Redezeit etwas weiter ausholen konnte:
Cyber Security ist daher eine große politische Herausforderung auf nationaler und internationaler Ebene. Eines ist sicher: kein Staat kann Cyberspace alleine regulieren.
Auch die CDU kann sich der Idee anschließen, dass es Exportkontrollen für Überwachungssoftware geben soll.
Gefährlich wird es in der Tat, wenn diese Überwachungstechnologie missbraucht wird zu Zwecken der internen Repression z. B. für die Überwachung und Verfolgung Oppositioneller und Minderheiten. Undemokratische Staaten dürfen nicht die technischen Mittel bekommen, um Ihre Bürger auszuspionieren und zu bedrohen. Dieses Ziel eint uns. (…)
Unser Problem besteht darin, dass Softwareprodukte nicht immer als Dual-Use-Güter gelten oder auf der Ausfuhrliste stehen und daher oft nicht unter die zu kontrollierenden Güter fallen. Es gibt noch keine übergreifende Exportkontrolle für jede Form von Überwachungssoftware. Die Bundesregierung arbeitet aktuell daran, den Export von Überwachungssoftware stärker regulieren zu können.
Er ist allerdings der Meinung, dass die Bundesregierung hier ausreichend viel unternimmt und wirft den Grünen vor, das Thema für den Wahlkampf zu instrumentalisieren.
Ein Beispiel: Der Begriff „digitale Waffen“ für Überwachungssoftware ist plakativ, könnte aber zu einer Verharmlosung der schrecklichen unmittelbar tödlichen Wirkung „echter“ Waffen führen.
Die Reden von Martin Lindner (FDP) und Klaus Barthel (SPD) waren am Freitag auf Nachfrage nicht zu erhalten und fehlten leider auch im Bundestags-Protokoll.
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