Mittwoch, 31. Oktober 2012

Wenn Helden den Mund aufmachen

Wenn Helden den Mund aufmachen:
von Stefan Sasse
Der Felix Baumgartner hat den Rekord für den höchsten Sprung gebrochen. Aus der Stratosphäre ist er gesprungen, hat die Schallmauer durchbrochen, powered by Red Bull. Man konnte dem Wirbel um diese Tat kaum entgehen, und wie bei Wirbel so üblich wurde mit Superlativen herumgeworfen. Ob Baumgartner ein Held sei ist eine Frage, die schnell im Raum stand, und ob er als Vorbild tauge. Ich persönlich bin bei diesen Rekordbrechern nie ganz sicher wo der Mut aufhört und der Wahnsinn beginnt, aber das soll jeder für sich selbst ausmachen. Die Frage, ob Baumgartner als Vorbild taugt, hat er uns freundlicherweise selbst beantwortet. In einem Interview mit der österreichischen “Kleinen Zeitung” plädierte er für die Einführung einer “gemäßigten Diktatur” und erklärte offen, ein Steuerflüchtling zu sein. Das Interview ist gerade mal vier Fragen lang, und keine geht auf die andere ein, was angesichts der Antworten auf seine ersten beiden Fragen ziemlich schade ist.



Ist ein Wechsel in die Politik eine Option für Ihre Zukunft?

FELIX BAUMGARTNER: Nein, man hat das am Beispiel Schwarzenegger gesehen: Du kannst in einer Demokratie nichts bewegen. Wir würden eine gemäßigte Diktatur brauchen, wo es ein paar Leute aus der Privatwirtschaft gibt, sie [sic!] sich wirklich auskennen.
Warum haben Sie Wohnort in die Schweiz verlegt?
BAUMGARTNER: Das hat steuerliche Gründe. Weil es in Österreich schwierig ist. Man hat keine Sicherheit, was die Steuern betrifft. In der Schweiz hat man die Möglichkeit, sich mit dem Finanzminister zu einigen. Da muss man Unterlagen auf den Tisch legen und weiß, woran man ist. In Österreich ist es das nicht, da gibt es immer wieder Finanzbeamte, die meinen, das, was ich mache, ist kein Sport.
Wow, was für ein Trottel. Es gehört schon einiges dazu, den Governator als Paradebeispiel für die Frage, ob demokratische Politik etwas bewegen kann oder nicht anzuführen. Und was zur Hölle ist eine “gemäßigte Diktatur”, und in was kennen sich die “paar Leute aus der Privatwirtschaft” denn bitte aus? Willkommen in der Welt von Baumgartner, wo simpel noch zu kompliziert ist. Fast noch besser wird es dann bei seiner Steuerflucht. In Österreich, wo die Steuerlast durch Gesetze geregelt ist, ist es “schwierig”, weil man “keine Sicherheit” hat, aber in der Schweiz, wo Mr. Baumgartner persönlich mit dem Finanzminister verhandelt, wie die Schweizer das halt immer tun, da hat man “Sicherheit”? Von was redet der eigentlich? Effektiv läuft es drauf raus, dass er die österreichischen Steuersätze nicht bezahlen will. Sicherheit und so. Wie jeder Prominente, der gerne mit seiner Herkunft kokettiert und sie für seine Fans daheim hochspielt, die sein Geld überhaupt erst reinbringen (Hallo, Herr Schumacher), hört die Loyalität da ganz schnell auf. Baumgartner hat offensichtlich nicht die geringste Ahnung, von was er eigentlich redet, hat aber wohl einen guten Steuerberater.
Die ganze Sache hat aber noch eine größere Dimension als nur die Baumgartner’sche Übersimplifizierung und geradezu haarsträubende Argumentation. Das Weltbild dieses Typs, sofern man es überhaupt als solches anerkennen will, kommt nicht von ungefähr. Es ist in den letzten zwei Dekaden geschaffen wurden, in dem beständigen Wahn, der Politik jede nur denkbare Inkompetenz zu unterstellen und das Heil ausschließlich im Privatsektor zu suchen. Daher kommt die verquere Idee einer “gemäßigten Diktatur” von “ein paar Leuten aus der Privatwirtschaft”, denn die machen ja bekanntlich alles besser. Es war die Politik selbst, begleitet von einem ungeheuren und permanenten Trommelfeuer aus den Medien, die dieses Narrativ geschaffen hat, denn in den letzten zwanzig Jahren gab es keinen Politiker von einigermaßen großer Bedeutung, der nicht die alte Geschichte von der staatlichen Ineffizienz und der privatwirtschaftlichen Effizienz erzählt hat. Die schon fast masochistische Selbstkasteiung der Politik zeigt desaströse Auswirkungen, denn die Demokratie als solche wird dadurch diskreditiert. Zugute kommt dies irgendwelchen nebulösen Effizienzideen, die eben nichts mit Kompromissen zu tun haben und die auf Staaten überhaupt nicht anwendbar sind. In den USA ist Mitt Romney die fleischgewordene Verkörperung dieses Gedankens, und sein Erfolg mit diesem Narrativ beruht auf der gleichen Grundlage wie Baumgartners wirre Gedanken. Es ist Zeit, endlich offensiv demokratische Werte und Ideale zu vertreten und solchem Quatsch entgegen zu treten.
Stefan Sasse


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© Stefan Sasse für den Spiegelfechter, 2012.



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