Samstag, 27. Oktober 2012

Ich kann nicht mehr

Ich kann nicht mehr:
Das ist kein Hilferuf, sondern nur die Erkenntnis, dass ich mich nicht mehr darüber aufregen kann, was ich so alles in der Presse und vor allem in den Leserkommentaren zu den Presseartikeln lesen muss. Ich will versuchen das zu begründen. Es beginnt mit den Mails, die ich bekomme. AVAAZ habe ich zu Spam erklärt und lese sie erst gar nicht mehr, weil AVAAZ eine Institution ist, die sehr erfolgreich versucht, die Leser abzulenken. Sie geben sich als Organisation, die vorgibt, die Welt retten zu wollen und sammeln dabei massenhaft Adressen, wobei ich glaube, dass sie diese Adressen auch für andere Dinge missbrauchen und vermarkten. Finanziert werden sie von den Leuten, die sie angeblich bekämpfen. Die immer damit verbundenen Bitten um Spenden sind eigentlich eine Frechheit, denn AVAAZ eine Spende zukommen zu lassen ist ungefähr so, als würde man der Familie Quandt (BMW) spenden. Das gilt aus meiner Sicht auch für eine Menge anderer NGOs. Ich kann z. B. den Regenwald nicht retten, denn schon unsere regionale Politik pfeift doch auf die Meinung ihrer Bürger, erst recht interessiert die Regierungen von Brasilien oder Sumatra nicht, was ich über ihre Machenschaften denke. Das gilt erst recht für die verantwortlichen Superkonzerne wie z. B. Unilever (Palmöl). Es lohnt nicht, das weiter auszuführen, denn eigentlich müsste jedermann begreifen, dass man zuerst den eigenen Stall ausmisten muss, bevor man andere Ställe ausmistet.
Da sind die Mails, die mich auffordern, eine Petition zu unterzeichnen, Es heißt ja landläufig, dass, wenn Wahlen etwas ändern würden, diese längst verboten wären. Glauben Sie, bei Petitionen wäre das anders? Was machen Petitionsausschüsse? Sie entscheiden lediglich, ob sie eine Petition auch in den Bundestag einbringen und das vermutlich auch nur dann, wenn sie darin für die eigenen Parteien Munition für Diskussionen sehen. Allerdings ist mir kein Fall bekannt, in dem eine Petition wirklich Änderungen in der Politik bewirkt hätte. Ausgenommen vielleicht in Einzelfällen, in denen eine Petition politischen Absichten der Regierenden entgegengekommen ist. Die meisten Petitionen werden bereits im Vorfeld abgeschmettert, wie sinnvoll das Begehren auch immer sein mag. Warum einer Petition nicht stattgegeben wird, wird in der Regel gut mit sinnfreien Argumenten begründet. Nun könnte man ja sagen, dass zumindest damit der Wille aus der Bevölkerung gezeigt wird. Aber hat der Wille aus der Bevölkerung schon jemals wirklich etwas bewirkt? Ich kann mich nicht erinnern. Schade eigentlich, dass man gegen Petitionen keine Wasserwerfer einsetzen kann, wird sich so mancher Politiker denken.
Kommen wir zu den Pressemeldungen. Egal, was die Presse berichtet, sie ist mit im Boot derer, die die eigentliche politische Macht besitzen, ohne dass man sie gewählt hätte. Da konnte ich vor einer Woche in der FAZ einen Bericht lesen, dass die Bertelsmannstiftung eindringlich vor einem Austritt Griechenlands aus dem Euro warnt, weil sich das zu einem Flächenbrand auswirken könnte. Ich habe gar nicht vor, weiter auf den Bericht einzugehen. Bertelmann ist Eigentümer der RTL-Group und die sendet Programme, die eindeutig auf die Verdummung der Massen ausgerichtet sind, wobei der Terminus Verdummung noch milde ausgedrückt ist, denn sie appelliert im Grunde vor allem an die primitiven Instinkte der Zuschauer. Ausgerechnet diese Organisation wird dann von einer als seriös bezeichneten Zeitung angeführt, die uns vor den Folgen eines Austritts Griechenlands warnt? Aus meiner Sicht ist diese Stiftung ein Instrument mit einem mehr als unheilvollen Einfluss und die gleichen Leute, die betonen, dass sie keine dritten Programme im Fernsehen anschauen, glauben nun, dass die Aussagen der gleichen Quelle, nur weil sie textlich besser aufbereitet sind als die TV-Sendungen, seröser Natur sind? Bertelsmann (und auch Springer) sind so ehrlich, wie der Pfaffe, der von der Kanzel wider die fleischliche Sünde wettert und nach dem Gottesdienst in den Puff geht, um sich zu “entspannen”.
In der Süddeutschen Zeitung lese ich dann, dass offenbar die Ökonomen in Europa den Stein der Weisen gefunden haben. Lohnkürzungen – Rettung oder Risiko? ist die Überschrift und berichtet darüber, dass zahlreiche Ökonomen die Meinung vertreten, dass in Spanien die Löhne sinken müssten, damit Spanien wirtschaftlich wieder auf die Beine kommt. Und natürlich analysiert der Autor messerscharf, dass das ein Dilemma sei, weil es die Wirtschaft anfänglich sogar schwächen würde. Die Ökonomen, das sind die Leute, die vermutlich in ihrem ganzen Leben noch nie produktiv gearbeitet haben, wissen nun zu berichten, dass die Länder Südeuropas vor der Einführung des Euros besser dastanden. Wieso nur die Länder Südeuropas? Ihre Lösung sollte eigentlich jeden Karikaturisten inspirieren, denn sie fordern, dass die Löhne sinken müssen, damit der Export angekurbelt wird und sie auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig sind. Natürlich verweist der Autor auch auf die praktische Erfahrung, die Deutschland mit der Agenda 2010 gemacht hat. Das sei zwar anfangs schmerzhaft gewesen, habe aber zu höheren Exporten und zu einer rückläufigen Arbeitslosigkeit geführt. Selbst dieses immer wieder verkündete Märchen kann mich nicht mehr aufregen, denn inzwischen habe ich erkannt, dass Zeitungsreporter offenbar unfähig sind, aus den Arbeitsmarktzahlen der BA die Wirklichkeit herauszulesen, falls sie sich überhaupt die Mühe machen, sich diese Daten mal anzusehen. Mehr Arbeitsstunden (was ja bei einer Verringerung der Arbeitslosenzahlen die zwangsläufig Folge wäre) werden in Deutschland nicht geleistet, dafür werden aber bei der Mehrarbeit inzwischen 20% unbezahlte Überstunden geleistet. Das Jobwunder Deutschlands ist lediglich eine Verschiebung von Arbeitsplätzen in den Niedriglohnsektor, in Minijobs und Zeitarbeit und vor allem in die Scheinselbständigkeit. Nicht zu vergessen die Ein Euro Jobber, die nicht einmal mehr Lohnsklaven sind, weil sie umsonst arbeiten müssen.
Die Idee, dass die Südeuropäer ihren Export ankurbeln sollen, ist ja nicht schlecht, setzt aber eigentlich voraus, dass die Marssonde Curiosity die kleinen Männchen auf dem Mars ausfindig gemacht hat und diese Männchen sich sehr interessiert daran zeigen, Produkte von Spanien, Griechenland oder Italien zu importieren. Tucholsky wird mir sicher verzeihen, wenn ich eines seiner Zitate ein wenig zweckentfremdet verwende: ” Es sind Ökonomen und auch sonst ganz ohne Verstand”
Was ist die Voraussetzung für den Export? Meiner Kenntnis nach doch der, dass es dafür andere Länder geben muss, welche die Waren importieren. Und die Südeuropäer exportieren doch schon immer, nur eben landwirtschaftliche Produkte und daran kann man nicht so hohe Gewinnspannen knüpfen, wie sich die Herren Unternehmer und Aktionäre wünschen. Dagegen müssen sie andere Produkte importieren und das, was ihnen früher ausländische Devisen brachte, wurde mit dem Euro mit einem Schlag weggefegt. Dabei ist noch zu bedenken, dass Handelsbilanzüberschüsse, wie sie Deutschland seit Jahren hat, sich immer negativ auf die Handelsbilanzen der importierenden Länder auswirken. Außerdem ist es ein Gerücht, dass diese Überschüsse durch vermehrte Lohnsklaverei erwirtschaftet werden, denn Deutschland exportiert vor allem hochklassige Technik und die wird nicht von Niedriglöhnern hergestellt. Na ja, inzwischen vermehrt schon ein wenig, denn Konzerne wie BMW, Daimler, Siemens, VW usw. haben natürlich inzwischen auch erkannt, dass man dank SPD und Grünen heute Zeitarbeiter erheblich billiger beschäftigen kann, als die Stammbelegschaft. Und die großen Versandketten haben auch erkannt, dass scheinbar selbständige Auslieferer mit Hungerlöhnen abgespeist werden können, weil diese ansonsten auch sehr schnell bei Hartz IV landen würden (siehe Hermes-Versand).
Nun haben die Ökonomen ja auch “erkannt”, dass Lohnsenkungen “kurzfristig” auch zu einer Schwächung der Wirtschaft führen können. Allerdings erklären diese Herrschaften nicht, was sie unter kurzfristig verstehen. Man muss also Vermutungen anstellen. 15 Jahre? 30 Jahre? 50 Jahre? Diese meine Frage basiert auf der kurzfristigen Negativwirkung der Agenda 2010, deren Auswirkungen noch in der sich weiter verschärfenden Phase sind, weil in Deutschland erst jeder Fünfte nach den OECD-Kriterien arm ist, unsere Politiker uns aber Hoffnung machen, dass sie diesen Wert noch steigern können und ganz gegen meine sonstige Einstellung glaube ich ihnen das sogar. Und wer hätte sie nicht schon gelesen, die Prognosen, die die Ökonomen und gleichzeitigen Rentenexperten und für die nächsten 50 Jahre gestellt haben?
Nun bin ich ja kein Ökonom und brauche deshalb auch keine Phantasie, um mir vorzustellen, welche Auswirkungen die Senkung von Löhnen in Ländern hat, in denen die Arbeitslosigkeit dank Finanz- und Eurokrise ohnehin schon überproportional gewachsen ist. Der Binnenmarkt wird auch noch ausgehöhlt, denn wer kein Geld hat, kann auch nichts einkaufen. Folglich werden auch auf dem Binnenmarkt die Unternehmenspleiten zunehmen. Großhandelsketten werden Filialen schließen oder, wie bei Schlecker, ganz dicht machen. Weil aber die Südeuropäer noch etwas haben, was uns Deutschen durch preußische Tradition schon lange abgezüchtet wurde, nämlich Temperament, ist nicht auszuschließen, dass z. B. das spanische “Herrscherhaus” sich erneut ins Exil absetzen muss, will es nicht das gleiche Schicksal erleiden, wie anno dazumal der französische Adel. Auch für Ökonomen könnte das dann ein ungesundes Pflaster werden. Die Megareichen würde das hingegen kaum tangieren, denn die haben sich schon immer rechtzeitig abgesetzt und zwar mit ihrem Geld.
Wir Deutschen müssen uns allerdings keine große Sorgen machen, schließlich haben wir nach den USA die zweitgrößten Goldreserven der Welt. 3.396 Tonnen, das entspricht einem aktuellen Wert von 144 Milliarden Euro. Ein unvorstellbarer Betrag, doch selbst, wenn wir ihn heute verkaufen würden, hätte Deutschland noch immer 2 Billionen Schulden. Doch mit dem Verkauf ist das nicht so einfach, denn nur ein Drittel des Goldes lagert in Deutschland, der Rest bei der FED in den USA, und ein Teil in den Tresoren der französischen und englischen Zentralbanken. Wie es wohl dahin gekommen sein mag? Die exakten Werte hat die dapd veröffentlicht. Die Presse hat in den letzten Tagen viel darüber geschrieben, aber nicht eine Zeile, wie es dahin gekommen ist. Also muss ich spekulieren. Bei dem Anblick von Gold kriegen ja viele Menschen glänzende Augen und ich vermute mal, das ging den Besatzern nach 1945 nicht anders. Also haben sie es einfach auf Transporter und auf Schiffe verladen, den Deutschen, die davon wussten, ein schlichtes “halt bloß Dein Maul” entgegnet, dabei eine Hand an der Revolvertasche und dann sind sie abgedüst. Nun ist das eigentlich eine Plünderung und Plünderung ist nach der Haager Landkriegsordnung genau so strafbar, wie das anzetteln von Kriegen. Hinzu kam die kurze Zeit später von den Amis eingebrachte Idee, die Deutschen wie Freunde zu behandeln, weil sie ja einen guten Puffer zum inzwischen aufgeflammten kalten Krieg hergaben. Und da hat sich vielleicht der eine oder andere Mitwisser von der Plünderung der Goldreserven an die Plünderung erinnert und sich nun auch getraut, mal zu fragen, was denn nun mit dem deutschen Gold ist. Die drei westlichen Siegermächte haben dann zwar mit den Zähnen geknirscht und gesagt, das bleibt, wo es jetzt ist, wir wollten es ohnehin nur für euch verwahren.
Ich glaube auch nicht, dass wir das Gold je wiedersehen werden, denn das, was die Bundesbank alles als Begründung angeführt hat wie Goldhandelsplätze bei kurzfristigen Zugriffen usw. halte ich für ausgemachten Blödsinn. Das ist ungefähr das Gleiche, als wenn Lieschen Müller ihr Gespartes in der Matratze von Heinrich Schmitz verstecken würde. Bekommt sie mal Krach mit Heinrich, ist ihr Erspartes futsch. Und wenn mal die Zeit kommen sollte (eher unwahrscheinlich), in der wir nicht mehr nach der Pfeife der Amerikaner, Briten und Franzosen tanzen, also die Heinrichs böse auf Lieschen sind, dann werden sie uns das Gold ganz bestimmt nicht zurückschicken.
Nun zu den Leserkommentaren. Dort werden oft von Leuten politische Kommentare abgegeben, die sich noch nie wirklich mit Politik beschäftigt haben. Dazwischen kommt dann mal ein Kommentar von jemandem, der Ahnung hat. Soweit, so gut. Aber das eigentliche Problem ist, dass sich in den meisten Fällen etwas bildet, das sich zu einem Loop entwickelt. Ein Loop ist in der Programmierung eine Endlosschleife. Wie kommt so etwas? Da schreibt jemand einen Kommentar der einem anderen nicht gefällt und der antwortet dann darauf und oft genug in gelinde gesagt unhöflicher Form. Der Kritisierte antwortet dann seinerseits und dann findet im jeweiligen Leserforum ein Frontenkrieg statt, in den sich im Lauf der Zeit auch weitere Leser einklinken. Das Thema, um das es bei der Diskussion eigentlich ging, hat man schon nach kurzer Zeit völlig aus den Augen verloren. Jetzt geht es nur noch darum, dem oder den anderen eins auszuwischen. Es gibt dafür sogar einen Ausdruck: “Pseudo-Sachkonflikt”. Dieses Leserverhalten ist je nach Gazette unterschiedlich ausgeprägt, doch eigentlich überall zu finden. Ich frage mich oft, warum man nicht akzeptiert, dass andere vielleicht auch eine andere Meinung haben? Sicher, mitunter antwortet man jemandem, der ganz offensichtlich nicht mit den Fakten vertraut ist (bei Rententhemen schon fast Standard), aber man macht das höflich und untermauert das evtl. mit nachweisbaren Fakten. Und stößt man dann wirklich mal auf jemanden, der unflätig reagiert, dann ignoriert man ihn oder sie einfach. Eigentlich zeigen besonders Leserkommentare, dass es mit der Gesprächskultur in “Teutschen Landen” nicht weit her ist. Schade, denn das betrachte ich als einen Grund der Lernresistenz, die immer noch weit verbreitet ist. Aber wie schon gesagt, das alles regt mich nicht mehr auf. Na ja, zumindest rede ich mir das ein.
http://www.flegel-g.de/2012-10-26-kann-nicht-mehr.html

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